Eine Nacht auf der B500: Wie ich zwei Leben rettete und dabei mein eigenes wiederfand

Für euch bin ich oft nur ein lästiges Hindernis auf der rechten Spur. Aber in dieser Nacht war meine Langsamkeit die einzige Rettung.

Ich bin Thomas, 54 Jahre alt. Seit dreißig Jahren fahre ich Fernverkehr. Ich kenne jeden Rastplatz zwischen München und Hamburg. Und ich kenne die Blicke der Autofahrer, wenn ich am Berg an Geschwindigkeit verliere: genervt, ungeduldig, hektisch.

Doch in jener Winternacht auf der B500 im Schwarzwald war es gut, dass ich langsam war. Und es war noch besser, dass ich hoch saß.

Es war 2:30 Uhr morgens. Minus 8 Grad. Die Straße war stellenweise spiegelglatt – das gefährliche “Blitzeis”, das man erst bemerkt, wenn es zu spät ist.

Die wenigen Pkw, die noch unterwegs waren, huschten an mir vorbei. Ihre Scheinwerfer beleuchteten nur den Asphalt vor ihnen. Tunnelblick. Schnell nach Hause ins warme Bett.

In einer langgezogenen Kurve sah ich es. Nicht auf der Straße, sondern daneben. Die Leitplanke war leicht verbogen. Dahinter, im tiefen Schnee, eine frische Spur, die direkt in die schwarze Tiefe des Waldes führte.

Mein Bauchgefühl schlug Alarm. Ein Pkw-Fahrer hätte das im Vorbeifahren nie gesehen. Die Leitplanke verdeckt die Sicht nach unten. Aber aus meinem Fahrerhaus, drei Meter über dem Boden, sah ich den Abgrund.

Ich zögerte keine Sekunde. Warnblinker an. Rechts ran. Warnweste überwerfen. Taschenlampe greifen.

Ich lief zur Böschung und leuchtete hinunter. Dort unten, fast unsichtbar zwischen den Tannen, lag ein Auto auf dem Dach. Und daneben eine Frau, die im knietiefen Schnee verzweifelt versuchte, eine Babyschale den Hang hinaufzuschieben.

Ich rutschte zu ihr hinunter. Sie war vollkommen durchnässt, ihre Lippen blau, der Blick starr vor Schock.

“Hilfe…”, wimmerte sie. “Mein Handy… es ist weg… beim Überschlag rausgeflogen… ich konnte niemanden rufen…”

“Ich habe Sie”, sagte ich ruhig. “Lassen Sie los. Ich nehme das Kind.”

Ich brachte beide in mein Fahrerhaus. Die Standheizung lief, es war warm wie in einer Stube. Ich wickelte die Mutter in meine Schlafdecke und prüfte das Baby. Es schlief tief, war aber warm eingepackt.

Mit zitternden Händen griff die Mutter nach meiner Teetasse. Sie blickte hinaus in die dunkle Nacht, als könnte sie noch immer nicht glauben, dass sie hier oben im Warmen war.

“Es war so dunkel…”, flüsterte sie und Tränen liefen über ihr Gesicht. “Ich dachte, niemand würde uns dort unten finden. Ich hatte solche Angst, dass mein Kleiner einfach… einschläft.”

Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und wählte die 112.

“Hier ist Lkw-Fahrer Thomas. Unfall auf der B500, Kilometer 42. Pkw im Graben. Mutter und Säugling bei mir in der Kabine gesichert. Wir brauchen den Notarzt.”

Dann drehte ich mich zu ihr um: “Sie haben alles richtig gemacht. Sie haben gekämpft. Und von hier oben habe ich einen guten Ausblick – mir entgeht so schnell nichts. Sie sind jetzt sicher.”

Zehn Minuten später war das Blaulicht da. Die Rettungskräfte arbeiteten schnell und präzise. Als der Notarzt die beiden übernahm, nickte er mir zu: “Klassischer toter Winkel da unten. Gut, dass du so aufmerksam warst, Kollege.”

Als sie weg waren, saß ich noch einen Moment allein in der Kabine. Es war wieder still. Nur der Dieselmotor brummte leise. Ich war kein Held. Ich habe nur meinen Job gemacht: Augen aufhalten.

Ich bin Thomas. Und wenn ihr das nächste Mal genervt seid, weil mein Lkw euch die Sicht versperrt… Denkt daran: Vielleicht schaue ich gerade dorthin, wo ihr nicht hinsehen könnt.

Fahrt vorsichtig. Kommt gut an.

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